Schon früh war Damaskus im Abendland ein Begriff, jeder wollte den Damaszenerstahl aus dem Märchenland der Syrer besitzen sowie die Schätze des antiken Orients, von denen die Kreuzfahrer berichteten.
Damaskus im Jahre des Herrn 2008: Nächtens ist alles in ein blaues Licht getaucht, die Zeit scheint in der Hauptstadt des 15 Millionen Landes stillzustehen. Wie vor hunderten Jahren leben hier Muslime – Sunniten, Schiiten, Ismaeliten, Alawiten, Drusen – mit Christen der armenisch-gregorianischen, armenisch-katholischen und armenisch-protestantischen Kirche friedlich miteinander. Hier wurde aus Saulus der Apostel Paulus, von hier aus floh er um das Christentum im Orient zu verbreiten.
Damaskus ist am Tage eine pulsierende, moderne Stadt, in der sich die Römerzeit, das Mittelalter und der Aufbruch ins 21. Jahrhundert vermischen. In den Erinnerungen der Syrer nehmen Sir Lawrence von Arabien und seine Unabhängigkeitsbestrebungen noch immer einen hohen Stellenwert ein. Der alte Bahnhof der Bagdad-Bahn, längst außer Betrieb und liebevoll gepflegt, erinnert noch an jene Zeit.
Wir verlassen Damaskus in nördlicher Richtung, zur Küste des Mittelmeeres mit seinen fantastischen Gärten in üppigem Grün und romantischen Kreuzfahrerburgen. Die bemerkenswerte und schönste Burg ist die auf hohem Berge sich erhebende „Krak de Chevalier“ aus dem 11. Jahrhundert. Rund hundert Jahre lang behauptete sie sich gegen die anstürmenden „Ungläubigen“. Als sie von Sultan Saladdin II. 1187 erobert wurde, bewies dieser einen für jene Zeit ungewöhnlichen Großmut, als er den Verteidigern die Wahl ließ als freie Bürger im Lande zu bleiben oder nach Europa zurückzukehren. In Krak findet sich stets ein freundlicher Führer, der die Touristen – gegen Bakschisch selbstverständlich – über Mauern und unterirdische Gänge sicher geleitet. Bakschisch ist hier eher selten gefragt, denn die Syrer sind ein stolzes, aber äußerst freundliches Volk. Bettlern und bettelnden Kindern, wie sonst im Orient überall üblich, begegnet man kaum.
Von Kreuzrittern und alten Christen
Die Begegnung mit dem Christentum in der Kreuzfahrerburg führt uns weiter zu Spuren der Urkirche: Wer hat schon die Möglichkeit von Menschen des 21. Jahrhunderts die Sprache von Jesus Christus zu hören. In Maalola, rund 40 Kilometer nördlich von Damaskus, hört man tagtäglich das Aramäische.
Der syrische Dichter Rafik Schami schreibt in „Der fliegende Baum“: „Felsen begrenzen die Hänge hinter den Weinbergen … Das Zirpen der Zikaden in der Mittagshitze begleitet den Meisel der Zeit mit rhythmischen Gesängen … Hart ist das Leben der armen Bauern von Maalola … Die blau und weiß getünchten Häuser … schmiegen sich eng an die Felswand … Nur das Kloster zum Heiligen Sarkis erhebt sich auf der Felswand über dem Dorf.“ In Maalola leben christliche Nonnen und Priester ihren Glauben Seite an Seite mit Moslems.
Die Reise geht weiter entlang des Mittelmeeres nach Aleppo. In Aleppo ist das Miteinander von Vergangenem und Modernem fast noch stärker vertreten als in Damaskus. Inmitten der Stadt erhebt sich auf einem Hügel eine riesige mittelalterliche Festung, die islamische Zitadelle. Rund um den kreisförmigen Hügel strömt der Autoverkehr in einem für europäische Verhältnisse eher ungewöhnlichen Ausmaß. Sternförmig gehen hier Straßen ab, die zu den Karawansereien führen. In den Ställen, in denen früher die Kamele und Dromedare versorgt wurden, stehen heute in Boxen Mercedes und andere Luxusautos. Darüber finden sich meist teure Restaurants, die die originären Speisen des Nahen Orients anbieten. Für den Touristen kann es hier freilich Probleme geben, nicht wegen mangelnder Sauberkeit, sondern wegen der für unseren Magen ungewöhnlichen Gewürzmischungen.
Erbe der Antike
Syrien ist ein Paradies für Archäologen, hier graben viele Nationen, Schweizer, Deutsche, Österreicher, Amerikaner. Wenn man durch die Wüste fährt – mehr als 80% des Landes sind Wüste – sieht man sehr oft links und rechts der Piste tafelbergförmige Erhebungen, arabisch „Tell“ (Tell Bia, Tell Birak, Tell Halaf, Tell Hariri u.v.a.). Unter buchstäblich jedem dieser „Tell“ befindet sich eine historische Stätte, immer wieder wird ein Tell geöffnet und die Archäologen finden fantastische Zeugnisse, die bis zu 5000 Jahre in der Erde schlummerten, wie beispielweise die Stadt Ugarit, die erst in den 40er Jahren des 20. Jahrhunderts restlos von Schweizer Archäologen ausgegraben wurde.
25 Kilometer nordöstlich von Aleppo liegt das Simionskloster. Simeon war der erste Säulenheilige der Kirchengeschichte. Geboren um 390 nach Christus in Kilikien, trat er in ein Kloster ein und nach einem abwechslungsreichen Leben wurde ihm eine 19 Meter hohe Säule mit einem Quadratmeter Querschnitt errichtet, auf der er bis zu seinem Tode 30 Jahre lang ausharrte. Später wurde darum eine Kirche erbaut – die monumentalen Reste sind heute noch erhalten.
Die Syrer sagen: „Wer nicht am Euphrat war, kennt das Land nicht!“
Man erwartet als Reisender einen braunen, trägen Strom – die Wirklichkeit sind anders aus: Ein blaugrüner Fluss mit klarem Wasser. Hier entstanden in der Antike Festungen und Königsstädte wie Mari aus dem 4. Jahrtausend vor Christus (berühmt durch den Fund von 25 000 Keilschrifttafeln), heute an der irakischen Grenze und Dura Europos, eine antike Großstadt, deren Geschichte bis ins 3. Jahrtausend vor Christus zurückreicht.
Der Höhepunkt für alle Antikenfreunde liegt eine Tagesreise weiter im Westen, mitten in der Wüste: Palmyra. Ein Andenken an das Königreich der legendären Zenobia (213 – 274), die den römischen Großmachtbestrebungen die Stirn bot, allein gegen Kaiser Aurelian schließlich verlor und im Triumphzug nach Rom gebracht wurde, durch ihre Klugheit und Schönheit aber ihren Lebensabend in einer Staatsvilla und als Gattin als römischen Senators verbrachte.
Für die Touristen ist der Besuch von Palmyra eine Zeitreise in die Welt der Antike und der Begegnung der persischen, der hellenistischen und der römischen Kultur, deren Denkmäler noch heute mitten im Wüstensand zu bestaunen sind.
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